Barock & Rokoko

 

Aus der nun folgenden Barock- und Rokkokozeit, die teilweise maßlose und sinnlose Übertreibung im Kleidungsverhalten und auch sonst mit sich brachte, sind aus Gaimersheim keine Quellen bekannt. Somit muss man auf Votivtafeln aus der näheren Umgebung zurückgreifen. Man kann oder muss annehmen, dass sich auch in Gaimersheim, nachdem es sich nach Jahrzehnten von den Wirren und der Not des 30-jährigen Krieges erholt hatte, die Mode der damaligen Zeit nach einer Zeitverzögerung von ca. 20 Jahren durchsetzte.  In der Herrentracht wurde die unterm Knie gebundene Hose (Culotte) modern, die man ja auch heute noch bei fränkischen und oberbayerischen Trachten kennt.. Die Farbe war oft hellgelb (Votivbild Etting 1670 und Buchenhüll 1747 (Kragen!)). Dazu wurden zuerst weiße und später dann blaue Strümpfe sowie ein hochfrontiger Halbschuh mit Schnallen als Verschluss getragen. Die Oberbekleidung bestand aus einem Hemd, einer Weste ( Camisol), die in den Anfängen fast bis an die Knie reichte, sich aber im Laufe der Zeit auf die heute noch übliche Länge verkürzte, einem eng anliegenden Überrock ohne Kragen, dem so genannten Just au Corps (französisch: eng am Körper) sowie dem Dreispitz als Kopfbedeckung. Diese Hutform entwickelte sich daraus, dass man die Krempe, die bei der damals üblichen Zopfmode störte, einfach an drei Seiten hochband.

 

In der Frauentracht wurden die Reifröcke durch tragen mehrerer Unterröcke nachempfunden. Im bäuerlichen Kreisen wurde auf dem Rock eine Schürze getragen, die bei den Bürgersfrauen aber oftmals fehlte. Die Oberbekleidung wat aus einem weißen Hemd, darüber wurde ein Mieder getragen, dessen Versteifung meist aus Fischbein bestand. Bei der bäuerlichen Bevölkerung war es immer ein zweiteiliges Mieder, dass vorne mittels eines Miedersteckers und bunter Stoffbänder geschlossen wurde. An seinem unteren Ende war es mit einem Wulst versehen, um den schweren Röcken halt zu geben. Über dem Mieder wurde eine kurze taillenlange Jacke getragen, der Spenzer. Ende des 18. Jahrhunderts verlor das Mieder beim Bürgertum seine Bedeutung zugunsten des Caraco (kurze mittig geknöpfte Jacke). Dies ist eine Jackenform mit angeschnittenem Schoß, dreiviertellangen Ärmeln, die oft weit nach unten hingen (Flossenärmel). Den Unterarm bedeckten dann so genannte Stizl, entweder aus schönen Spitzen geklöppelt oder aus Wolle bzw. Baumwolle gestrickt. Das bäuerliche Gegenstück dazu ist der Schalk  (bei uns Kassetl genannt),  der ebenfalls taillienlang war und eine umlaufende Garnier hatte, die in der Rückenmitte mit einer Rosette endete. Auf dem Kopf wird immer noch eine die gesamte Haartracht verhüllende Haube getragen, in ihrer Endphase aber schon gewisse Grundzüge der Riegelhaube aufweist. Um den Hals wird ein Florband getragen, das bei Reichen vorne mit einer filligranen Florschnalle geschlossen wurde. Auch in der Farbgestaltung änderte sich jetzt einiges. Anstatt der dunklen und schwarzen Stoffe der spanischen Hofmode sah man jetzt hauptsächlich pastellfarbene Töne, aber auch kräftige rote, blaue, grüne und braune Farben. Für das nun beginnende 19. Jahrhundert trifft für das Kleidungsverhalten der ländlichen Bevölkerung das zu, was auch in den vorherigen üblichen war. Die Elemente der vorausgegangenen Jahrzehnte werden vielfach noch lange weiter getragen. So setzt sich die in den Städten schon Ende des 18. Jahrhunderts bei den Frauen aufgekommene Spenzertracht auf dem Land erst etwa ab 1810 und da auch nur bei der wohlhabenden Bevölkerung, langsam durch. Die Männer halten damals noch etwas am altbewährten fest. Dass sich aber die Spenzertracht bis 1840 in unserer Gegend völlig durchgesetzt hatte, zeigen uns nun auch die Votivtafeln unserer Gaimersheimer Wahlfahrtskapelle. So sehen wir auf Tafeln die von Votanten aus Hofstetten stammen Frauen in teilweise sehr farbenfrohen Spenzertrachten. Der runde Ausschnitt der blauen, grünen oder grauen Spenzer ist ziemlich hochgeschlossen (im Gegensatz zum extrem weit ausgeschnittenen bürgerlichen Spenzer) und ist rot-weiß ausgeziert. Um den Hals wird ein schwarzer Halsflor getragen, dessen Enden nach hinten herabhängen oder abstehen. Die Röcke sind bei allen Frauen von farbigen Schürzen bedeckt. Auffallend ist, dass alle Röcke auf den Tafeln zwischen 1836 und 1845 rot sind. Die Bein und Fußbekleidung ist leider nicht ersichtlich. Auf dem Kopf tragen die Frauen die für diese Gegend typischen Bänderhauben.

 

Etwa ab 1820 setzten sich auch bei der Männertracht etwas moderne Formen durch. Die langen Röcke bekommen einen Stehkragen und ein Revers. Der Hosenträger, meist aus grünen Stoffen gefertigt, wird nun über der meist roten Weste getragen, was allerdings bleibt, sind die Verzierungen der Pattentaschen, die ihren Rokkokoschwung nicht aufgeben. Der Dreispitz wird durch einen Hut mit mittelbreiter Krempe und niedrigem Gupf ersetzt. Gleichzeitig taucht nun als Beinbekleidung auch langsam die lange Stoffhose, die sogenannte Pantalons auf und verdrängt die bis dahin übliche Kniebundhose (Culotte).  Zu dieser langen Hose wurde dann auch eine taillienlange Jacke mit Stehkragen und Revers getragen. Unter dieser sieht man dann meist bunte Westen aus Seiden und Samtstoffen und um den Hals den schwarzen Flor. Der Hosenträger verliert wieder seine Zieraufgabe und wird unter der Weste getragen.